Besenkarl

Wie du eben in der Geschichte erfahren hast, gab mir der Wald was ich zum Leben brauchte. Da war ich wohl nicht der Einzige – denn Gleiches dachte sich der Besenkarl. Er nährte sich schlecht und recht vom Besenbinden. Auch lief ihm wohl dann und wann ein Häschen in die Schlinge, die er an verborgener Stelle gelegt hatte. Eines Abends schlich er in die Lempedickte. Der Nebel hob sich aus dem Tale, und die Rehe standen grasend auf dem Hang. Der Besenkarl schnitt hier und da seine Ruten und schaute dabei auch nach seinen Hasenschlingen. Da war ihm mit einem Male, als sähe er drüben am Haselstrauch eine Gestalt. Er meinte, ein dunkles Augenpaar, einen langen, schwarzen Bart und darunter einen blinkenden Gürtel zu sehen. Aber schon war die Gestalt wieder verschwunden. Wie man sich doch täuschen kann! Meine Augen sind auch nicht mehr wie früher, sagte der Besenbinder zu sich selbst und schritt weiter. So kam er an den Haselstrauch, wo er vorher die Gestalt zu sehen glaubte. Da standen die Haselsprossen so schlank und gerade, dass es ihn verlockte, einen zu schneiden. Er setzte das Messer an und schnitt tief ein. Da war es ihm, als hörte er einen leisen Wehruf: Mit dem Stock in der Hand trat er einen Schritt zurück und vernahm nun aus dem Busch die Worte:

„Auuuu! Schneidest du mir noch ein Fingerlein ab, so schicke ich dich deswegen ins Grab!“ Ihm hob sich vor Grausen der Hut auf dem Kopfe. Und da er von Natur aus kein tapferer Mann war, nahm er seine Beine in die Hand und lief, was er laufen konnte. Zu Hause erzählte er seiner Frau das Erlebnis und zeigte ihr den Haselstock. Da gewahrte sie zu ihrem Entsetzen an der Schnittstelle einen großen Tropfen Blut.  Der Besenkarl stellte den Stock neben den Herd in den Flur. Aber am anderen Morgen war der Stock veschwunden. – Seit jener Zeit schnitt der Besenbinder seine Ruten nicht mehr im Lempetal.

Was meinst du, schau dich um – welcher Baum könnte ich wohl damals gewesen sein?

Wie es mir gelungen ist, dass der Besenkarl mich nicht entdeckte, erzähle ich dir an einer der weiteren Stationen.